28. Januar 2011, Alexandria

Am Freitagmorgen lief ich zur Schule um Klavier zu üben. Am Mittag ging ich eine Straße weiter zum Essen in das kleine Restaurant bei Amr. Ich wusste, dass Demonstrationen angekündigt waren. Bei Amr lief deshalb nicht wie sonst das Gebet. Es liefen Nachrichten aus Kairo. Die Tür der Schule wurde diesmal hinter mir geschlossen als ich ging. Wie immer beobachtete ich das Treiben der Fußgänger während ich aß. Nebenher schaute ich auf die Bilder der Demonstration im Fernseher auf dem Kühlschrank.

Das Treiben der Fußgänger veränderte sich langsam. Ein, zwei junge Männer fingen an zu laufen. An der Straßenecke vor der Schule versammelten sich einige Leute. Sie zeigten die Straße hinunter. Andere eilten hinzu …

Dann rückten sie an: Im Block - wie die Römer, nur in schwarz - die Polizei positionierte sich. Ich dachte, dass nun doch die Zeit gekommen war zu gehen. Amr stand jetzt auch auf der Straße. Ich drückte ihm seine 10 LE in die Hand, die er wie gewöhnlich ablehnte, dann aber doch einsteckte. Wir scherzten noch, dass es besser wäre den Laden heute etwas früher dicht zu machen, dann ging ich.

Ich wollte nicht laufen, sondern beschleunigte mein Gehen. Der Eingang der Schule war genau im Zentrum des Geschehens. Plötzlich fing es an zu brennen. Erst die Augen, dann das Gesicht – das T-Shirt über die Nase gezogen klopfte ich an die Tür der Schule. Ich hatte so schon einmal nachts gestanden, als ich meinen Hausschlüssel vergessen hatte – niemand hatte mich gehört.

Doch dann sah ich, wie jemand die Fensterläden schloss, ich eilte hin, da tauchte der Portier neben mir auf, der ebenfalls klopfte und hinein wollte. Um uns herum brach das Chaos aus.

Dann endlich wurden wir hinein gelassen. Das Mädchen, welches die Tür öffnete, stand unter Tränen - im Nachhinein weiß ich nicht, ob es vom Gas kam oder vom Schock.

Wir spülten uns das Gesicht ab - das Brennen ließ nur langsam nach. Vom Dach aus konnte man nur die Polizei sehen. Als ich dann auf die andere Seite ging um aus dem Fenster zu schauen, konnte ich die ganze Straße überblicken – einige der Schwestern standen da und machten Videos mit ihren Mobiltelefonen, dann drang das Gas bis ins Innere des Gebäudes. Die Schwestern flüchteten in andere Räume der Schule.

Die Polizei lieferte sich einen Straßenkampf mit der aufgebrachten Menge – »Tag des Zorns« trifft es ziemlich gut: Steine flogen, Reifen brannten. Immer wieder Tränengas. Dazu der Chor der Menge, unterbrochen von Schüssen der Polizei.

Ich fragte die Schwestern, ob sie Hilfe bräuchten. Das war nicht der Fall. Stunden vergingen. Ich setzte mich an den Flügel im Musiksaal. Durch die hohen Fenster sah ich Steine in den Hof fliegen .