Ich habe noch nie mein Fleisch gesehen,
aber ich spür' es von außen durch die Haut.
Ich habe noch nie mein Fleisch gesehen,
außer im Innern meiner Lider.
Im Innern meiner Lider sehe ich Fleisch.

Ich betrete das Schlafzimmer unseres Hauses. Es ist immer dunkel dort, durch schwere Vorhänge dringt kein Licht. Ich drücke den Lichtschalter aus rauhem Plastik neben der Tür. In der Ecke steht das Muster eines Menschen. Von dessen lidlosem Auge fühle ich mich angeblickt. Ich trete einen Schritt zur Seite. Die linke Hälfte des Kiefers ist entblößt - die Zähne liegen frei. Ich kann den gleichmütigen rechten Teil des Mundes nicht mit dem linken bedrohlichen in Verbindung setzen, nicht als einen Mund begreifen. Ich trete heran und löse ein Plastikstück aus dem rechten Oberschenkel. Darunter laufen Sehnen, blaue und rote - sie umfassen Muskelpakete. Ich lege meine Finger auf die Haut des Modells und fahre über Muskeln, die sich an der Oberfläche abzeichnen. Der Mensch ist eigentlich nie ganz nackt, denn unter seiner Haut ist er nochmal nackter, überlege ich. Ich nehme auch die Bauchdecke ab. Dahinter entdecke ich eine faszinierende, bunte Welt aus Rots, Blaus und Brauns - eine Schatzkammer der Formen, Körper und Anordnungen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ganze Zeug auch unter meiner Haut sein soll. Doch als ich meine Lider schließe, sehe ich alles.
    Als ich anderen Menschen mit meinem neuen Wissen begegne, habe ich ein eigenartiges Gefühl, aber das behalte ich für mich. Ich blicke durch sie hindurch und sehe den Inhalt ihres Körpers: Schnüre, Knoten, Schläuche, undsoweiter. Wie seltsam das wirkt im Vergleich zu ihren Äußerungen. Ich will es nicht zusammenbringen.